Keine Wäsche waschen in den Raunächten! Sinn-los oder Sinn-voll?

Christine Fuchs
Raunächte
Keine Wäsche waschen in den Raunächten! Sinn-los oder Sinn-voll? - Keine Wäsche waschen in den Raunächten

Keine Wäsche waschen in den Raunächten – sinnentleertes Brauchtum oder tiefgründiges Ritual?

Ein offenes Wort zu einem viel diskutierten Thema.
Wie bei vielen anderen Raunächte-Themen geht es mir mit diesem auch: Ich staune darüber, welche Fragen und vor allem, welchen Stress das Wäsche waschen oder nicht waschen in den Raunächten auslöst. Deswegen hier meine Gedanken dazu.
Weshalb war „keine Wäsche waschen“ so wichtig? Was war der Grund?
In den Raunächten braust ja bekanntlich Wotan und sein wildes Heer durch die Lüfte. Wichtige Mitglieder sind u.a. die Totenseelen. Von zum Trocknen aufgehängten weißen Laken drohte gerade ihnen Gefahr: Sie konnten sich darin verheddern, den Weg mit dem Heer nicht zurück in die Unterwelt finden und fortan ihr Unwesen auf dem Gehöft treiben. Passierte das, standen sie auch nicht für die Wiedergeburt in die Sippe als Enkel  Ähnchen = kleiner Ahne = gleicher etymologischer Wortstamm) im kommenden Jahr zur Verfügung. Ganz schlecht. Also durfte keine Wäsche draußen zum Trocknen aufgehängt werden.
Außerdem: Die Frauen sollten gerade in dieser Zeit nichts arbeiten. Es war auch ihre Ruhe- und Schonzeit!
Wie sieht das denn heute aus im Vergleich zu früher?
1. Wir leben heute kulturell und gesellschaftlich in einem komplett anderen Kontext. Die Menschen waren in ihrer spirituellen Ausrichtung, in ihren „Glaubens“-Vorstellungen der nordischen Mythologie verhaftet. Alles, was sich darum an symbolischen Sinnbildern rankte, machte tief Sinn, dockte in ihrer Seele zweifelsfrei an. Es gab nicht eine Nano-Sekunde des Hinterfragens, des Suchens nach Gründen warum und weshalb.
Wir leben heute dagegen in einer überaus vielschichtigen geradezu multikulti geprägten Spiritualität. Vom Christentum über den Buddhismus finden wir alles. Das ist hier völlig wertfrei und in Respekt vor der individuellen spirituellen Ausrichtung eines jeden gemeint.
2. Das Trocknen übernimmt häufig der Trockner oder die Wäsche hängt im Trockenraum. Will heißen: Wir haben nicht mehr das Thema weiße Laken trocknen im Winter im Freien. Ich kenne ehrlich gesagt niemand, der auf diese Idee käme. Und es geht bei „Nicht Wäsche waschen“ genau darum! Der wichtigste Teil wurde leider abgehängt, nämlich: Nicht draußen aufhängen!
3. Die hygienischen Ansprüche in vorchristlicher Zeit, auch noch im Mittelalter, waren komplett anders als heute. Die Menschen früher haben gar nicht über die Menge an Kleidungsstücken verfügt wie wir heute, will heißen: täglicher Wechsel des Outfits war das geringste Problem bzw. definitiv nicht angesagt. Denn das, was sie auf dem Leib trugen, das musste Tage, eher sogar Wochen, herhalten. Es war also keine große Herausforderung, mal 2 Wochen nicht zu waschen. Diese Aspekte regen jedoch an, durchaus mal kritisch auf unsere heutigen Waschgewohnheiten schauen. Berge von Wäsche/Woche in Singlehaushalten? Kein Witz. Kenn ich alles aus meinem Umfeld. Wenn dieser Raunachts-Aspekt also zur (überaus ökologischen und umweltfreundlichen) Erkenntnis führt, dass auch Lüften mal geht, dann ist viel erreicht.
4. Ein Ritual ist das „Nicht Wäsche waschen“ schon gar nicht. Es ist eine Vorgabe, ein Brauch. Anno dazumal war dies stimmig, hat gepasst, machte Sinn. Es war auch kein Aberglaube (diesen Begriff mag ich eh nicht, denn er hat etwas Abwertendes), sondern REALITÄT! Ja, für die Menschen damals war das ganz normal, ganz klar, KEINE WÄSCHE zu waschen in den 12 heiligen Nächten. Diese Realitäten unterliegen jedoch kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen. Sie dürfen angepasst werden. Sie dürfen modernisiert werden. Und, sind wir mal ehrlich, auch wenn ich mir damit keine Freunde mache: Die Tatsache, dass sich darum ganze Diskussionen entspinnen, zeigt, wie weit wir entfernt sind davon, was unsere Vorfahren umgetrieben hat und in welchem Kontext sie gelebt haben. Was auch heißt, man möge mir verzeihen: Wir ahmen nach, wir kopieren – losgelöst davon, wie wir heute leben, in welchem gedanklichen Kontext wir uns befinden. Das macht dann einen Brauch wie nicht Wäsche waschen leider zu einem sinnentleerten Brauch.
Fazit:
Schauen wir doch lieber mal, wo können wir das dahinterliegende Motiv fassen! Den Antrieb, den Grundgedanke. Nämlich die Auszeit, das „Nichtstun“. Besonders für Mütter, gerade mit kleinen Kindern, in diesen Tagen ein nicht zu unterschätzender Aspekt.
Ich beende hier meine Gedanken dazu. Es ließe sich noch sehr vieles anfügen. Es geht mir hier nicht um Vollständigkeit. Ich erhebe nicht den Anspruch, die raunächtliche Weisheit komplett durchdrungen zu haben. Was mir jedoch ein großes Anliegen ist, ist zu schauen, wie wir diese „alten“ einst hoch Sinn machenden Themen in unsere heutige Zeit übertragen können, damit sie auch uns wieder so viel Sinn machen, weil es einfach mega klar ist und auch wir keinen Zweifel mehr haben und sich alle Fragen von selbst beantworten. Und um was es mir auch geht: Diese alten Vorstellungen sollten keinesfalls dazu führen, dass es uns heute Kopfzerbrechen macht oder sogar schon wieder Druck. Noch schlimmer: Vermeiden zu wollen, dass man was falsch macht in den Raunächten. Auch das sind die Raunächte nicht.
Fazit: Prüft bei allem, was ihr so lest über die Raunächte, ob es in diesem Augenblick, im Hier und Jetzt in EUER LEBEN passt. Ist es stimmig, macht es Sinn? Nur dann sollten wir es auch tun!
Herzliche Grüße, Christine
Foto von Uta Scholl auf Unsplash